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Europarekord! Riesiger Erfolg für heimische Fallschirmsportler

Mit erhobenem Haupt zum Europarekord: Bestmarken im „Head Up“-Fliegen geknackt

Ein Gastbeitrag von Jürgen Heimann

(wS/jh) Breitscheid/Burbach | Während die Deutsche Fußballnationalmannschaft in Frankreich auf den Gewinn der Europameisterschaft hinarbeitet, wissen sich die Breitscheider/Burbacher Fallschirmsportler dahingehend schon etwas weiter. Sie sind Europa-Rekordhalter. Dies freilich in einer etwas „exotischeren“ (und rasanteren) Disziplin. Hoch am Himmel des nordrhein-westfälischen Marl haben die Westerwälder Skydiver eine neue kontinentale Bestmarke gesetzt – zusammen mit Kollegen aus anderen Teilen Deutschlands.

Freeflying ist eine besonders rasante und schnelle Variante des Fallschirmspringens und gilt als die Königsdisziplin dieser Sportart. Dabei liegen/fliegen die Aktivisten nicht bäuchlings in der Luft, sondern nehmen während des freien Falls bestimmte vertikale Haltungen ein, um diese, einer ausgefeilten Choreografie folgend, miteinander zu kombinieren und zu variieren. Eine dieser Elementarfiguren ist der „Head Up“. Die Springer, moderne Ritter der Tafelrunde, sitzen quasi in der Luft, erhobenen Hauptes wie an einem Mittagstisch. (Das Gegenteil davon ist der „Head Down“, Kopf nach unten). Für Außenstehende mag das aussehen, als würde Robocop Bossanova tanzen.

Nur nicht drängeln! Die Rekordspringer purzeln aus der Heckklappe der Skyvan. Die Teammitglieder, die später die Basis der Formation bilden sollen, halten sich dabei bereits an den Händen. So kann der Kreis in Folge schneller geschlossen werden. (Foto: Tom Förster)
Nur nicht drängeln! Die Rekordspringer purzeln aus der Heckklappe der Skyvan. Die Teammitglieder, die später die Basis der Formation bilden sollen, halten sich dabei bereits an den Händen. So kann der Kreis in Folge schneller geschlossen werden. (Foto: Tom Förster)

Am Himmel über Marl ging es nun ausschließlich um den „Head Up“. Erklärtes Ziel war es, Bestmarken auf nationaler und europäischer Ebene aufzustellen bzw. zu knacken. Dafür standen drei Tage zur Verfügung. 35 Luftathleten, die aus ganz Deutschland und dem benachbarten europäischen Ausland kamen, waren in das ehrgeizige Unterfangen eingebunden. Dem Motto „Getrennt marschieren, vereint zuschlagen“ entsprechend, hatten sie sich monatelang auf ihren Heimatplätzen auf dieses Ereignis vorbereitet. Und nun sollte zusammen geführt werden, was zusammen gehörte.

Tafelrunde mit genauer Sitzordnung

Auch in diesem Falle galt zunächst einmal: Die Menge macht’s. Die Größe der Formation war ein entscheidendes Kriterium, aber es gab, um bei dem Vergleich mit dem Mittagstisch zu bleiben, auch eine „Sitzordnung“. Die Tafelgäste waren gehalten, an vorher genau beschriebenen Positionen Platz zu nehmen und sich an den Händen zu fassen – vielleicht zum Gebet. Und das alles, wie erwähnt, bei einem wahnwitzigen Tempo. Das fragile Gebilde musste als geschlossenes Ganzes mindestens eine Sekunde vom Kameramann per Video dokumentiert sein. Skydive Westerwald hatte vier seiner besten Freeflyer ins Rennen geschickt: Chrissi Richter, der Siegener Stefan Gessner, Thorsten Rühl und Videomann Tom Förster.

Langsam wird’s doch. Aber einer fehlt noch. Kommt aber gleich. (Foto: Tom Förster)
Langsam wird’s doch. Aber einer fehlt noch. Kommt aber gleich. (Foto: Tom Förster)

Gruppenzwang bei Tempo 270

Das Ganze erfordert eine immense Körperbeherrschung, Reaktionsschnelligkeit und enormes fliegerisches Können – erst Recht in der Gruppe. Dabei werden vertikale Spitzengeschwindigkeiten von 270 km/h erreicht und überschritten. Welche Kräfte und (Luft-)Widerstände in solchen Situationen dabei auf jeden der Beteiligten einwirken, lässt ein simples (theoretisches) Beispiel erahnen. Doch es ist nicht zur Nachahmung empfohlen. Würde jemand bei 200 Sachen auf der Autobahn den Oberkörper aus der Seitenscheibe des Fahrzeugs recken, könnte er in abgeschwächter Form erspüren, welchen Belastungen die Springer am Himmel ausgesetzt sind. Und diese Einflüsse steigen mit zunehmender Geschwindigkeit. Hinzu kommen Querbeschleunigung und -Abtrieb. Da kann sich jede unbedachte Körpergeste fatal auswirken. Der kleineste Schnitzer genügt, und die Sache ist gelaufen und die Formation „gesprengt“.

Das erste Etappenziel, der Deutsche Rekord mit 14 Springern, konnte schon am ersten Tag im dritten Anlauf erreicht werden. Doch danach wollte irgendwie nichts mehr richtig gelingen. Auch nach vierzehnstündigem Sprungbetrieb mit neun Versuchen am nächsten Tag sah es nicht anders aus. Die Nerven lagen blank. Doch der Abschlusstag sollte es dann herausreißen. Schon der erste „Load“ des Tages (so heißt im Skydiver-Idiom der Flug mit der Absetzmaschine auf die Absprunghöhe) brachte den Durchbruch. Die Teilnehmer ließen ihren zwei Tage zuvor selbst aufgestellten Deutsche Rekord purzeln und erhöhten die Latte auf 18 Beteiligte. Und bis zur europäischen Bestmarke (Stand bis dato: 21 Springer) war es dann nicht mehr weit. Schon der nächste Start brachte den Durchbruch. Mit einer 22-er Head Up-Formation stand der neue Europarekord.

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